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Leitfaden ehrenamtlicher Tätigkeit Print

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Fast die Hälfte der Österreicher (2006: 43,8%) leistet freiwillige Tätigkeit. Trotz dieses umfassenden Engagements ist die rechtliche Situation der ehrenamtlich Tätigen schwer zu durchschauen. Mit diesem Leitfaden sollen einige wichtige Fragen beantwortet werden.

Was ist ehrenamtliche Tätigkeit?

Obwohl es derzeit an eindeutigen Abgrenzungskriterien fehlt, ist bei Überwiegen folgender Merkmale von ehrenamtlicher Tätigkeit auszugehen:

  • Wille, freiwillig tätig zu werden;
  • Keine arbeitsvertragliche Bindung an den Beschäftiger; keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Meist fungieren Ehrenamtliche als persönlich Unabhängige, es gibt also keine Verpflichtung zur Dienstleistung;
  • Unentgeltlichkeit; es liegt auch bei laufenden Aufwandentschädigungen kein Dienstverhältnis vor. Aufwandentschädigungen dienen nur dazu, bestimmte aus dem Ehrenamt entstehende Nachteile auszugleichen.

Doch nicht nur die Abgrenzungskriterien sind nicht abschließend festmachbar, es gibt auch viele Möglichkeiten die „Ehrenamtlichkeit“ zu bezeichnen. Statt „ehrenamtlicher Tätigkeit“ wird auch von „freiwilligem Engagement“, „Freiwilligenarbeit“ oder von „bürgerschaftlichem Engagement“ gesprochen. Obwohl ein Unterschied in der Bedeutung oftmals nicht festgestellt werden kann, lösen die Bezeichnungen verschiedene Assoziationen aus. Um eine gewisse Einheitlichkeit zu gewährleisten, wird im Folgenden nur noch von „ehrenamtlicher Tätigkeit“ gesprochen.

 

Bin ich Ehrenamtlicher oder Arbeitnehmer?

Es kann auf diese Frage keine pauschale Antwort gegeben werden. Ein Arbeitsvertrag ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn sich eine Person einer anderen zur Arbeitsleistung verpflichtet. Im konkreten Einzelfall muss jedoch anhand von verschiedenen Kriterien geprüft werden, ob ein Arbeitsverhältnis besteht. Diese sind z.B.:

  • Persönliche Abhängigkeit (Weisungsrecht des Arbeitgebers)
  • Persönliche Leistungspflicht
  • Nicht auf einen bestimmtes Ziel gerichtete Arbeit (Dauerschuldverhältnis)
  • Bereitstellung der Arbeitsmittel durch den Arbeitgeber
  • Wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers
  • Einbindung in den organisatorischen Aufbau des Betriebes


Es müssen nicht alle Kriterien vorliegen, das Überwiegen reicht. Der Arbeitsvertrag kann schriftlich oder mündlich abgeschlossen werden, aber auch ohne die Äußerung eines bzw beider Beteiligten zustande kommen, wenn einer arbeitet und der andere diese Arbeit annimmt.
Arbeit kann auch im Rahmen eines Werkvertrages oder freien Dienstvertrages ausgeübt werden. Der freie Dienstvertrag unterscheidet sich vom Arbeitsvertrag vor allem dadurch, dass die persönliche Abhängigkeit (Weisungsrecht des Arbeitgebers) nur schwach ausgeprägt ist. Daneben spielen vor allem folgende Kriterien eine Rolle:

  • Nicht auf ein bestimmtes Ziel gerichtet
  • Keine Einbindung in die Organisation des Betriebs des Arbeitgebers
  • Möglichkeit einen Vertreter zu organisieren


Beim Werkvertrag wird im Gegensatz zum Arbeitsvertrag die Erfüllung eines Werks angestrebt. Merkmale, die auf den Werkvertrag hinweisen sind zum Beispiel:

  • Erfolgsgarantie
  • Keine persönliche Arbeitspflicht
  • Eigene Arbeitsmittel
  • Keine persönlich oder wirtschaftliche Abhängigkeit
  • Keine Einbindung in die Organisation des Betriebes des Arbeitgebers


Tipp: Da eine pauschale Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft nicht möglich ist, informieren Sie sich im Vorfeld bei Ihrer zuständigen Arbeitnehmerinteressensvertretung (z.B. Arbeiterkammer, www.arbeiterkammer.at).


Habe ich Anspruch auf …?

Fragen, die sich aus der jeweiligen Beschäftigung ergeben (wie z.B. Urlaub, Arbeitszeit, Entlohnung, Arbeitsmittel, Weisungen, Nebentätigkeit, Vertretung, Beendigung, Arbeitsort, Aufwandsentschädigung etc.), müssen mit der beschäftigenden Organisation abgeklärt werden.

Tipp: Besprechen Sie bereits vor Beginn Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit Fragen, die Ihnen wichtig sind mit Ihrem Ansprechpartner der jeweiligen Organisation.


Bin ich als Ehrenamtlicher versichert?

Da die ehrenamtliche Tätigkeit kein Arbeitsverhältnis begründet, sind Sie grundsätzlich nicht pflichtversichert. Ausnahmen im Bereich der Unfallversicherung gibt es aber z.B. bei Blaulichtorganisationen (Rettung, Feuerwehr, ...).

Unterliegt man als Ehrenamtlicher nicht der Pflichtversicherung, bleibt die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung. Die dabei entstehenden Kosten sind vom Umfang der Versicherung und der jeweiligen Versicherungsanstalt abhängig.

Tipp: Klären Sie im Vorhinein, ob in Ihrem Fall eine Versicherung geschlossen wird und fragen Sie nach, wer die Kosten für diese private Versicherung übernimmt.


Was ist, wenn ich im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit einen Unfall erleide?

Es kann keine für alle ehrenamtlichen Tätigkeiten gültige Antwort gegeben werden.
Für einige ehrenamtliche Tätigkeiten besteht ein beschränkter Unfallversicherungsschutz, bei dem bestimmte Unfälle Arbeitsunfällen gleichgestellt werden. Damit haben die ehrenamtlich Tätigen beispielsweise Anspruch auf Behandlung und Rehabilitation. Eine solche Regelung ist jedoch die absolute Ausnahme und besteht zum Beispiel bei den Blaulichtorganisationen (Rettung, Feuerwehr, …).

Sind Sie ehrenamtlich tätig und es wurde eine private Versicherung abgeschlossen, sollten Sie diese auf jeden Fall kontaktieren. Je nach Versicherungsvertrag können ihre Kosten bis zu 100% übernommen werden.

Sofern sie weder einer gesetzlichen Pflichtversicherung noch einer private Versicherung unterliegen, befinden sie sich in einer versicherungsfreien Zone. Ein Unfall im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit ist dann einem Unfall in ihrer Freizeit gleichzusetzen.
Wurde der Unfall durch eine dritte Person verschuldet, ist es unter Umständen auch möglich, diese zur Tragung der Kosten heranzuziehen.

Wichtig: Die versicherungsrechtliche Situation bei einem Unfall während der ehrenamtlichen Tätigkeit kann immer nur im Einzelfall beurteilt werden! Wenden Sie sich vor Aufnahme der Tätigkeit an die beschäftigende Organisation und klären Sie, was passiert, wenn Sie einen Unfall erleiden und ob Sie sich unter Umständen selbst versichern müssen.


Wer haftet, wenn ich im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit einen Schaden anrichte?

Über die Haftung in einem konkreten Fall kann hier keine Auskunft gegeben werden. Es spielen viele verschiedene Faktoren bei der Beurteilung der Haftung eine Rolle, beispielsweise wen Sie schädigen, bei welcher Tätigkeit Sie schädigen oder was beschädigt wird. So muss man Fälle in denen Sie einen fremden Dritten schädigen anders beurteilen, als Fälle in denen Sie das Auto der beschäftigenden Organisation zerstören.
Grundsätzlich haften Sie immer für Ihr eigenes Verhalten, unter ganz bestimmten Voraussetzungen kann die beschäftigende Organisation statt Ihnen haften. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch in diesem Fall Ihre Haftung nicht 100% ausgeschlossen ist. Fälle in denen die Organisation zur Haftung herangezogen werden kann sind z.B.:

  • Werden Sie von der beschäftigenden Organisation beauftragt bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten auszuführen und kommt es im Rahmen dieser Tätigkeit zu einem Schaden, haftet dafür möglicherweise die beschäftigende Organisation. Eine ausdrückliche Regelung findet sich dazu beispielsweise bei ehrenamtlich tätigen HospizbegleiterInnnen.


Wichtig: Bei diesen Fällen der Haftung kommt es neben anderen Kriterien sehr auf die Beauftragung an. Es ist daher immer eine Beurteilung im Einzelfall notwendig, pauschale Einschätzungen sind nicht möglich.

Die beschäftigende Organisation kann ebenfalls zur Haftung für Schäden, die aus Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit verursacht werden, herangezogen werden, wenn sie Sie für Tätigkeiten einsetzt, für die Sie offensichtlich nicht geeignet sind. Diese Haftung ist auf bestimmte Situationen beschränkt, wie folgende zwei Beispiele veranschaulichen sollen:

  • Werden Sie z.B. im medizinischen Bereich ehrenamtlich tätig, weiß Ihr Beschäftiger, dass Sie keine medizinische Ausbildung haben und verlangt er dennoch von Ihnen die Verabreichung von Medikamenten (Tabletten, Spritzen …), haftet er neben Ihnen für eventuelle Personenschäden. Dies sowohl straf- als auch zivilrechtlich.
  • Sollten Sie keinen Führerschein besitzen und weiß Ihr Beschäftiger dies, darf er Sie nicht zum Führen eines Fahrzeuges einsetzen. Tut er dies dennoch, und verursachen Sie dabei einen Schaden, haften sowohl der Beschäftiger als auch Sie.


Wichtig: Ihre eigene Haftung wird durch die Haftung der Organisation in den besprochenen Fällen nicht gänzlich ausgeschlossen. Für rechtswidriges Verhalten haften Sie dennoch und unabhängig von der Haftung der Organisation.

Besonders günstige Vorschriften gelten für Dienstnehmer, die bei Erbringung ihrer Dienstleistung den Dienstgeber oder einen Dritten schädigen. Obwohl der Dienstnehmerbegriff hier sehr weit gefasst ist, lassen sich die Begünstigungen auf die meisten Ehrenamtlichen nicht anwenden. Ähnlich sind besondere Haftungsvorschriften für den Arbeitgeber oder die Haftung unter Arbeitskollegen zu beurteilen, auch sie finden im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit meist keine Anwendung. Doch selbst wenn grundsätzlich von der Unanwendbarkeit wegen Fehlens eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss, so kann es in bestimmten Fällen aber sehr wohl sein, dass Arbeitnehmernehmerähnlichkeit vorliegt und damit die obigen Haftungsregeln zum Tragen kommen. Auch hier ist leicht erkennbar, dass immer der konkrete Sachverhalt beurteilt werden muss.

Bei Unfällen mit Fahrzeugen haftet grundsätzlich der Halter des Fahrzeugs. „Halter“ ist ein besonders weitgefasster Begriff, der nicht nur den Eigentümer einbezieht. Es kommt sehr auf eine Abgrenzung im Einzelfall an, da auch der Entleiher auf diese Weise haftpflichtig werden kann. An folgenden Kriterien können Sie sich orientieren:

  • Halter ist der, der über die Verwendung des Fahrzeugs bestimmt und es auf eigene Rechnung in Gebrauch hat.
  • Besondere Haftungsregelungen gibt es bei der Haltung von Tieren. Hier haftet der Tierhalter für Schädigungen durch das Tier. Der Tierhalter muss nicht der Eigentümer sein, die Haftung kann zum Beispiel auch zum Tragen kommen, wenn Sie ehrenamtlich mit Hunden spazieren gehen.
  • Für Schäden, die Sie unbeteiligten Dritten auf dem Weg zur Organisation oder sonst außerhalb Ihres Arbeitsauftrags zufügen, gelten die allgemeinen Haftungsregeln gemäß derer Sie grundsätzlich für Ihr eigenes Verhalten haften.


Wichtig: Grundsätzlich haften Sie für Ihr Verhalten. Die besonderen Haftungsregeln hängen sehr von ihrem Rechtsverhältnis zur Organisation und von der schädigenden Handlung ab und können nur im Einzelfall ausreichend beurteilt werden.
Achten Sie immer darauf, dass selbst wenn der Schaden von Ihrem Beschäftiger getragen werden muss, er an Ihnen Regress nehmen kann. Dieses Rückforderungsrecht ist abhängig von Ihrem Mitverschulden im konkreten Einzelfall.

Tipp: Einige Organisationen haben sich verpflichtet, für ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Bitte erkundigen Sie sich im Vorhinein, ob Ihre beschäftigende Organisation dies getan hat.


Muss ich im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit Steuern zahlen?

Einkommensteuer ist nur dann zu entrichten, wenn Einkünfte aus einer der Einkunftsarten bezogen werden. Da die ehrenamtliche Tätigkeit im Normalfall unentgeltlich erfolgt, fällt grundsätzlich keine Steuer an.

Steuerpflicht kann in Einzelfällen aber sehr wohl begründet werden. Ausnahmen bestehen etwa für die ehrenamtliche Übernahme von Vereinsfunktionen (Kassier, Schriftführer etc.), im Bereich der Sozialdienste oder beispielsweise bei ehrenamtlich tätigen Standesbeamten.

Ob sie aus Ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit steuerrechtlich Vorteile haben bzw. gegebenenfalls lohnsteuerpflichtig werden, hängt stark vom Einzelfall ab.

Wichtig! Sollte für Ihre ehrenamtliche Tätigkeit ein Gehalt vorgesehen sein, ist dies ein Hinweis auf Arbeitnehmereigenschaft, womit Sie den allgemeinen steuerrechtlichen Bestimmungen unterliegen!

Tipp: Aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Möglichkeiten ehrenamtlicher Tätigkeit kann eine pauschale Auskunft über Steuerpflichtigkeit nicht gegeben werden. Bitte wenden Sie sich mit Ihrer konkreten Situation an Ihren Steuerberater bzw. an Ihr zuständiges Finanzamt.

 

Verfasserinnen der Rechtsinformation zu ehrenamtlicher Tätigkeit:
Dr.a Katharina Urleb und Mag.a Charlotte Reiff
Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht
Universitätsstraße 15/A3
8010 Graz